"Der Flüchtlingsjunge war ich". Ein besonderes Wiedersehen im STRALSUND MUSEUM
Der Mann, der heute (2. Januar) seinen 85. Geburtstag feiert, schaut mit leuchtenden, hellwachen Augen auf sein Kinder-Porträt, das vor ihm auf dem Tisch liegt. Er setzt sich dazu und erzählt seine Geschichte.
Jürgen Peter Bohlen, der am 2. Januar 1935 in Danzig geboren wurde, kam im August 1945 mit Mutter und zwei Geschwistern in Koserow an. Hier sollte nun die neue Heimat der Familie sein. Und hier lernte er auch Otto Niemeyer-Holstein kennen. Aus dem „Der Junge soll mal kommen.“ von Niemeyer nach einer Begegnung in der Bäckerei Belling wurden häufige Besuche beim Maler und seiner Familie. Die Aussicht auf Essbares und kleine Geschenke waren anfangs für den gerade zehnjährigen Jürgen Peter Grund genug, zur Maler-Familie in Lüttenort zu gehen. Später, so berichtet Bohlen, fühlte es sich an, als gehörte er zur Familie. Und auch Otto Niemeyer ging bei Familie Bohlen ein und aus.
„Es war alles so normal. Ich habe es als nichts Besonderes empfunden, von Niemeyer gemalt zu werden. Ich war gern gesehener Gast und hatte dann auch etliche Sitzungen beim Käpt’n, wie man den Maler nannte. Zu seinem Sohn, der ein Jahr jünger war als ich, entwickelte sich eine enge Freundschaft, die bis zum Ende unserer Schulzeit hielt.“
Ein Haus voller Bilder und Warmherzigkeit bleiben eine der schönsten Erinnerungen an seine Kindheit und die Familie Niemeyer-Holstein. Die Erinnerung an das Porträt hingegen war verblasst.
Der Flüchtlingsjunge von damals hätte nie geglaubt, dass er sein Bildnis wiedersehen würde. Doch es sollte anders kommen. Tochter Evelyn, die das Porträt als Original in den 1980er Jahren in einer Ausstellung in der Rostocker Kunsthalle entdeckt hatte, packte die Neugier und sie begann zu recherchieren. „Das gestaltete sich als langwierige und mitunter schwierige Angelegenheit, denn das Werksverzeichnis existiert erst seit 2015“, erzählt sie. Evelyn Bohlen ließ in ihrer Suche nicht nach und war schließlich erfolgreich. Sie fand heraus, dass sich das Original-Porträt ihres Vaters seit 1985 im Besitz des STRALSUND MUSEUM befindet. Das Museum hatte das Bild aus dem Privatbesitz einer Dresdener Familie angekauft. Evelyn nahm Kontakt zum STRALSUND MUSEUM auf und fand in der Kuratorin Dorina Kasten eine verständnisvolle Unterstützerin ihrer Idee, dem Vater eine ganz besondere Überraschung zu seinem bevorstehenden 85. Geburtstag zu bereiten. Ein Geschenk, das mit nichts zu bezahlen ist. Ein Treffen in Stralsund wurde vereinbart. „Es macht uns überglücklich und dankbar, dass der Plan nun aufgegangen ist und der Papa nach so vielen Jahren sein Porträt sprichwörtlich in den Arm nehmen durfte. Es sind auch viele wertvolle Momente und schöne Erinnerungen an Menschlichkeit und an eine ganz besondere Künstlerfamilie.“
Jürgen Peter Bohlen lebt heute mit Ehefrau Margot in der Nähe von Rostock. Und eines ist sicher: Das Geburtstagsgeschenk bleibt unvergessen.